31.03.2020

Kurzarbeit bei CH Media

«Die Situation ist sehr gravierend»

Die enormen Werbeeinbrüche zwingen CH Media zu Kurzarbeit. Gilt das für alle Abteilungen? Und auch für ihn selber? CEO Axel Wüstmann über Dividenden als Darlehen und die paradoxe Lage bei der Produkte-Nachfrage.
Kurzarbeit bei CH Media: «Die Situation ist sehr gravierend»
Axel Wüstmann ist CEO bei CH Media, dem Joint Venture von NZZ-Gruppe und AZ Medien. (Bild: zVg.)

Herr Wüstmann, nach TX Group und vielen kleineren Verlagen reicht nun auch CH Media Kurzarbeit ein. Wieso?
Die Einreichung von Kurzarbeit für vorerst drei Monate ist die wichtigste Massnahme, um mit dem temporären Schock des einbrechenden Werbemarkts und dadurch dem Umsatzrückgang so sozial verantwortlich wie möglich umzugehen. Sie hilft CH Media, die Personalkosten rasch der reduzierten Nachfrage aus dem Werbemarkt und unserem reduzierten Angebot anzupassen. Sie verhindert Entlassungen.

Wie schlimm ist die Situation?
Die Situation ist sehr gravierend. Die Werbeeinnahmen sind komplett zusammengebrochen. Wir spüren die Auswirkungen in allen Bereichen, beispielsweise auch im Druck- oder im Eventgeschäft. Allein im April rechnen wir mit einem Verlust am Werbemarkt von 50 Prozent und für gesamt CH Media mit einem Umsatzrückgang von über 30 Prozent. Das sind mehr als 10 Millionen Franken in einem Monat. Per Mitte des Jahres wird ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag in der Kasse fehlen.

Von den rund 2000 CH-Media-Mitarbeitenden: Wie viele sind von der Kurzarbeit betroffen?
Nahezu alle. Gewisse Abteilungen sind wegen ausbleibender Aufträge und Anlässen stark unterbeschäftigt, andere sind aber im Gegenzug stärker belastet als in normalen Zeiten. Die Mitarbeitenden sind folglich je nach Aufgabe und Bereich sehr unterschiedlich betroffen. Gesamthaft erwarten wir ein Kurzarbeitspensum von aktuell etwa 25 Prozent. Kalkulatorisch wohlgemerkt. Wirklich wissen werden wir Ende des Monats April.

«Die Auslastung und damit die Kurzarbeit sind von Bereich zu Bereich sehr unterschiedlich»

Kann es also sein, dass die Redaktionen weiterhin 100 Prozent arbeiten oder sogar noch mehr, während etwa die Eventabteilungen ihr Pensum auf 20 Prozent oder noch weniger herunterschrauben?
Das kann durchaus sein. Die Auslastung und damit die Kurzarbeit sind von Bereich zu Bereich sehr unterschiedlich. Während etwa die Veranstaltungen, der Verkauf oder die Akzidenzdruckereien aussergewöhnlich stark betroffen sind, ist der News-Konsum durch die Bevölkerung riesig – und damit die Auslastung in einzelnen Ressorts sehr hoch

Heisst das, dass die Redaktionen keine Kurzarbeit leisten?
Doch. Viele Journalisten werden Kurzarbeit leisten. Während dem – beispielsweise – Online-Newsredaktoren sehr stark ausgelastet sind, ist im Sport oder in der Kultur – gezwungenermassen – die Arbeit temporär fast ausgegangen.

Wieso beantragen Sie ausgerechnet für drei Monate Kurzarbeit?
Die Situation rund um die Covid-19-Pandemie verändert sich rasch und wir wissen nicht, wo wir in drei Monaten stehen werden. Wir hoffen zwar, dass in drei Monaten das Gröbste überstanden ist. Aber wissen tun wir es nicht. Wir beurteilen die Lage laufend neu. Wenn die Krise länger dauern sollte, werden wir verlängern. 

«Es gibt keine Entlassungen aus wirtschaftlichen Gründen solange wir die Kurzarbeitsentschädigung in Anspruch nehmen»

Wird es auch Entlassungen geben?
Wir begrüssen das Massnahmenpaket des Bundes sehr. Kurzarbeit ist ein staatliches Mittel, um Entlassungen in Krisensituationen zu vermeiden. Das generelle Ziel – und auch unseres – ist es, keine Talente zu verlieren und die Kapazität wieder hochzufahren, wenn sich die Situation normalisiert hat. Entsprechend gibt es bei CH Media keine Entlassungen solange wir die Kurzarbeitsentschädigung in Anspruch nehmen.

Und was ist mit den Löhnen? Wie gross wird die Lohneinbusse der Mitarbeitenden in Kurzarbeit im Durchschnitt sein?
CH Media zahlt die Löhne von Mitarbeitenden in Kurzarbeit für die obige Frist vollständig aus - respektive übernimmt die Differenz zwischen Kurzarbeitsgeld und Lohn gemäss Vertrag. Mitarbeiter in Kurzarbeit haben also keine Lohneinbusse. 

Auch TX Group hat sich nach dem Protest der Mitarbeitenden für diese Variante entscheiden. Sie hätten auch anders anordnen können, sodass die Mitarbeitenden einen Teil der Kosten tragen.  
Wir haben uns unter den Verlagen verständigt. Mitarbeitende geraten unverschuldet in diese Situation. Und wir zählen in dieser ausserordentlichen Situation auf besonders viel Verständnis, Flexibilität, Gelassenheit und Disziplin der Mitarbeitenden. Mit der getroffenen Regelung honorieren wird die pragmatische, soziale Regelung des Bundes und geben unseren Mitarbeitenden einen Vertrauensvorschuss. Sie leisten in dieser schwierigen Situation Aussergewöhnliches. 

«Für das gute Ergebnis in 2019, dem ersten vollen Geschäftsjahr von CH Media, wollen wir uns bedanken»

Und Sie selber als CEO: Um wie viel kleiner fällt Ihr Arbeitspensum aus?
Die Krisenbewältigung beansprucht momentan sehr grosse Ressourcen – nicht bloss bei mir, sondern in vielen Bereichen. Neben den News-Journalisten sind vor allem HR-Kapazitäten, interne Kommunikation und Finance sehr gefragt. Wenn man so will, der klassische Overhead, inklusive CEO. 

Weshalb verzichtet CH Media nicht auf die nun fürs letzte Geschäftsjahr anfallenden Boni?
Wir werden auf Boni für das laufende Geschäftsjahr 2020 quasi automatisch verzichten. Die Corona-Krise wird sehr deutlich aufs Ergebnis 2020 durchschlagen, wodurch auch der Bonus entsprechend betroffen sein wird und im Zweifel auf 0 fällt. Bonusanteile, welche im April 2020 ausgezahlt werden, betreffen das Geschäftsjahr 2019 und haben nichts mit Covid-19 und laufenden Geschäftsjahr zu tun. Für das gute Ergebnis in 2019 dem ersten vollen Geschäftsjahr von CH Media wollen wir uns bedanken. 

Das klingt ähnlich wie bei TX Group. Dort wird auch erst per 2020 auf gewisse Gewinnbeteiligungen verzichtet.
Wie eben gesagt, wird das laufende Geschäftsjahr durch die Krise finanziell stark negativ beeinflusst. Das wird auf den Bonus 2020 durchschlagen. Auch hierzu tauschen wir uns übrigens aus.

Könnte es nicht sein, dass nun mit der Kurzarbeit die Mitarbeitenden zu wenig arbeiten? Oder sogar zu viel, sodass es für das Unternehmen nicht mehr gerechtfertigt ist, Kurzarbeit zu etablieren? Das wäre am Ende unfair gegenüber dem Staat, oder nicht?
Gegenüber unseren Mitarbeitenden und Führungskräften appellieren wir ans Verantwortungsbewusstsein und zählen darauf, dass die wohlwollende Regelung, wonach die Mitarbeitenden in Kurzarbeit während der betreffenden Periode ihre vollen Löhne ausbezahlt erhalten, honoriert wird. Was CH Media betrifft: Der Bund hat seinerseits eine ausgewogene, soziale Regelung beschlossen. Dieses Verhalten begrüssen wir sehr und werden es selbstverständlich nicht ausnutzen.

«Die Dividende für das Jahr 2019 wird in ein Darlehen umgewandelt»

Was machen Sie, wenn das Gesuch um Kurzarbeit nicht bewilligt wird?
Davon gehe ich nicht aus. Ich sehe nicht, wieso unser Gesuch nicht bewilligt werden sollte.

Was für weitere Massnahmen ergreift CH Media?
Zur Umsetzung der Kurzarbeit werden in sämtlichen Unternehmensbereichen die Produkte und Dienstleistungen auf ihr Sparpotenzial überprüft und angepasst. Dazu gehören auch ganze oder teilweise Produkt- oder Angebotseinstellungen. Auf Neuinvestitionen wird momentan ganz verzichtet. 

Und was ist mit den Aktionären? Erhalten sie ihre Dividende?
Jein. Unsere beiden Aktionäre verzichten nach Abstimmung mit der Unternehmensleitung von CH Media auf eine Auszahlung der Dividende für das Jahr 2019 im Frühling 2020 und wandeln diese in ein Darlehen um.


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